Was macht eigentlich... Kinderschokoladen-Gesicht Günter Euringer?
Über 30 Jahre lang strahlten seine Augen aus den Supermarktregalen, sein Lächeln hielt die Erinnerung von Generationen fest. Die ganze Welt schien sich zu verändern, nur der Junge auf der Kinder-Schokolade blieb.
Die Süßigkeit, die speziell für Kinder entwickelt wurde, weil die einzeln verpackten 70 Kalorien mit der Extraportion Milchpulver so gut einteilbar waren - und weil Kinder ja sonst keine andere Schokolade mochten.
1973 lichtete Ferrero den damals zehnjährigen Münchner Günter Euringer ab, dessen Konterfei seither die Verpackungen der Kinder-Schokolade zieren sollte. 300 Mark erhielt Euringer dafür, ein einmaliges Honorar. Kontakt mit dem Unternehmen gab es danach nie, auch keine Gratisschokolade.
Um den Modetrends gerecht zu werden, wurde das Bild immer wieder retuschiert, in allen Ländern entstanden verschiedene Versionen: Schiefer Zahn weg, hängendes Augenlid hoch, Haare kürzer. Zum Schluss wurden sogar ein Satz Ohren hinzugefügt, weil die zuvor durch die Frisur verdeckt waren. Wem die Ohren gehören, ist nicht bekannt.
Jahrzehnte wusste niemand, wer sich hinter dem berühmten Werbegesicht verbirgt. Euringer sah im Fernsehen, wie andere sich als er ausgaben. Die Leute spekulierten. Der Schokoladenjunge sei Millionär, käme mit dem Ruhm nicht zurecht und sei im Drogensumpf versunken.
2005 brach Euringer das Schweigen und veröffentlichte sein Buch „Das Kind der Schokolade“, in dem er beschrieb, wie peinlich ihm damals die langen Wimpern, die blauen Augen und sein Puppengesicht waren. Ferrero reagierte prompt auf das gelüftete Geheimnis und druckte einen neuen Jungen auf die Verpackungen, Kevin.
Die Nostalgiker waren schockiert. Die Initiative „Weg mit Kevin“ sammelte Unterschriften, auf dass Euringer anstelle des gegelten Milchbubis zurückkehre. Und kurzzeitig tat er das auch: 2006 verkaufte Ferrero zum Schoko-Jubiläum noch einmal eine limitierte Edition im Retrolook. Heute lebt der 46-Jährige mit seiner Frau und zwei Söhnen in Haar bei München und verdient sein Geld als Kameramann mit Werbespots und Einspielern. Werbung würde er auch gern noch einmal machen. „Dass sich eine Schokoladenfirma bei mir meldet, glaube ich jedoch nicht“, sagt Euringer in einem Interview. Schließlich hat er in seinem Buch zugegeben, dass er sich noch nie etwas aus Schokolade gemacht hat.
Von Philipp Brandstädter